Werkstatt vom 25.11.2021
- Erschienen amDie Werkstattveranstaltungen „Planungswettbewerbe in der Praxis“ finden großen Anklang bei Architektur- und Ingenieurbüros, vor allem aber bei brandenburgischen Kommunen. Am 25. November 2021 richtete die Brandenburgische Architektenkammer die Werkstatt erstmals als Online-Seminar aus.
Bei seiner Begrüßung betonte Frank Segebade (MIL) die Bedeutung des Wettbewerbswesens für die Baukultur im Land Brandenburg und dankte der Architektenkammer für die thematische Erweiterung um weitere Aspekte des Vergaberechts. Dessen Komplexität lässt gerade Kommunen häufig bei der Kammer und beim MIL um Rat suchen.
2020 und 2021 – ein Rückblick
Marcel Adam, Vorsitzender des Ausschusses Wettbewerb und Vergabe der Brandenburgischen Architektenkammer, rief in Erinnerung, dass 2020 pandemiebedingt viele Wettbewerbe zurückgestellt wurden. Das Jahr 2021 hingegen brachte einen regelrechten Boom, der dem Wettbewerbs- und Vergabeausschuss der Architektenkammer mehr als genug Arbeit bereitete.
Gleichzeitig nahm die thematische Vielfalt zu: Kindertagesstätten, Wohnungsbauten, städtebauliche Vorhaben und auch Museen waren Gegenstand von Wettbewerben.
Das Wettbewerbswesen entwickelt sich weiter – beispielsweise mit Beteiligungsverfahren und Bürgerbeteiligung.
Wichtig bei jedem Bauvorhaben ist eine ausführliche Grundlagenermittlung. Sie bestimmt den Baubedarf und gibt auch Hinweise auf das am ehesten geeignete Vergabeverfahren. Und das muss nicht immer der Planungswettbewerb sein.
Planungswettbewerb und Vergaberecht
RA Dr. Schattenfroh, seit 2004 Justiziar der Brandenburgischen Architektenkammer, referierte über die Beziehungen zwischen Planungswettbewerb und Vergaberecht. Grundsätzlich gilt:
Planungsleistungen für die öffentliche Hand sind nach Landesrecht zu vergeben, wenn ihr Auftragswert unterhalb des EU-Schwellenwertes (ab 01.01.2022 in der Regel bei 215.000 € ohne Umsatzsteuer) liegt. Es gilt die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO).
Ab EU-Schwellenwert sind sie EU-weit auszuschreiben. Es gilt die Vergabeverordnung (VgV).
Grundsätzlich zu empfehlen sind Planungswettbewerbe nach RPW 2013.
Wichtig: Der Realisierungswettbewerb ist eine Vorstufe des eigentlichen Vergabeverfahrens nach UVgO bzw. VgV. Einzelheiten dazu sind bereits in der Wettbewerbsausschreibung anzugeben. So ist zu erklären, ob nur mit dem Gewinner verhandelt werden soll; andernfalls muss mit allen Preisträgern verhandelt werden. Diese und andere Festlegungen zu Beginn des Wettbewerbs sind bindend. Sie zu verletzen, kann z. B. Fördermittel gefährden. In der Wettbewerbsausschreibung sollte der Auslober sich verpflichten, einen der Preisträger zu beauftragen; sonst müsste der Auftrag nach dem Wettbewerb erneut ausgeschrieben werden.
Nur das, was Wettbewerbsaufgabe war, darf direkt in Auftrag gegeben werden. So darf z. B. ein siegreiches Architekturbüro nicht ohne Ausschreibung nachträglich mit der Tragwerksplanung beauftragt werden.
Zu überlegen ist, einen interdisziplinären Wettbewerb unter Arbeitsgemeinschaften verschiedener Fachrichtungen auszuloben.
Beispiel - Wettbewerb Neubau Kinderhort in Eberswalde:
Bert Bessel, Leiter des Amtes für Hochbau und Gebäudewirtschaft der Stadt Eberswalde, berichtete von den guten Erfahrungen, die seine Stadt auch mit dem Wettbewerb für den Neubau eines Kinderhorts machte.
Hohe Anforderungen stellte die Stadt an den neuen Kinderhort im Brandenburgischen Viertel: Ein eingeschossiges Gebäude mit kindgerechten Freianlagen sollte er werden, nachhaltig und klimaschonend in Bauweise und Bewirtschaftung. Eine Vorfertigung aus Holzteilen sollte Zeit sparen, um den Hort bereits im Herbst 2022 beziehen zu können.
Um unter mehreren guten Lösungen die beste auswählen zu können, entschied sich die Stadt für einen Wettbewerb – auch weil die Praxisregeln Baukultur des MIL dies für geförderte Baumaßnahmen verlangen. Zum Erfolg trug bei, dass die Stadtverwaltung sich von der Architektenkammer beraten ließ und die Stadtverordneten früh und umfassend in das Projekt einbezog. Die Teilnehmer erhielten wenige, aber klar definierte Vorgaben.
Die 15 Einreichungen waren von hoher Qualität. Verhandelt wurde mit allen drei Preisträgern; beauftragt wurden die erstplatzierten Büros Numrich Albrecht Klumpp Architekten, Berlin mit KuBuS Freiraumplanung, Wetzlar + Berlin.
Fazit: Die Stadt Eberswalde plädiert klar für Planungswettbewerbe. Gut vorbereitet und durchgeführt, führen sie zu allgemein begrüßten, ansprechenden Ergebnissen. Mehr dazu finden Sie hier.
Planungswettbewerbe vs. Mehrfachbeauftragungen
Klaus von Ohlen betreut im Büro DSK GmbH Wettbewerbsverfahren. Anhand von DSK-betreuten Wettbewerben u. a. für Ahlen, Celle und Kevelaer zeigte er, zu welch guten Ergebnissen sorgfältig vorbereitete und durchgeführte Wettbewerbe führen können.
Mit einem Beispiel aus Celle demonstrierte von Ohlen eine weitere Möglichkeit, gleichzeitig zu mehreren bereits sehr ausgereiften Lösungsvorschlägen zu gelangen. 2020 wurden vier Teams aus Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplanern gleichzeitig mit städtebaulichen Entwürfen für das neue „Quartier an der Alleraue“ beauftragt. Der ausgewählte Entwurf ist Grundlage für die Vergabe der Grundstücke an Investoren nach einem Bewerbungsverfahren.
Mehrfachbeauftragungen sind meist teurer als Planungswettbewerbe, weil alle teilnehmenden Büros voll bezahlt werden müssen. Sie kommen infrage unter besonderen Bedingungen und verlangen saubere Kalkulation und Honorierung. Sie sollten unbedingt unter Anwendung von Bestimmungen der RPW erfolgen.
Beispiel Vergabe - Übergeordnetes Freiraumkonzept der Gemeinde Wandlitz:
Wandlitz, eine Gemeinde aus neun Ortsteilen mit viel Naturraum, wächst. 1995 hatte die Gemeinde 16.000 Einwohner, heute sind es etwa 24.000.
Lars Gesch, ehemaliger Bauamtsleiter der Gemeinde, heute Leiter des Sachgebietes für strategische Gemeindeentwicklung, berichtete über den Weg zu einer konzeptionellen Grundlage für die Gestaltung ihrer Freiräume.
Nach einem Auswahlverfahren wurden drei Landschaftsarchitekturbüros beauftragt, kurz und prägnant darzulegen, wie sie an ein Freiraumkonzept für die Gemeinde herangehen würden. 2015 erhielt die Arbeitsgemeinschaft pukland, Berlin / Gebaute Landschaft, Eberswalde den Auftrag, grundsätzliche Vorstellungen über Gestaltungsmöglichkeiten bis hin zu einem Masterplan zu entwickeln sowie die Öffentlichkeit und örtliche Akteure zu beteiligen.
Mehrere Projekte des im März 2016 fertiggestellten Freiraumkonzepts sind bereits verwirklicht. Und es zeigt bereits Wirkung über die eigentliche Aufgabe hinaus: vermehrt fordern gemeindliche Gremien, freiraumplanerische Aspekte einzubeziehen, beispielsweise beim neuen Schul-Campus oder der Planung von Wohnquartieren.
Die Brandenburgische Architektenkammer und die Vortragenden erhielten viel Lob für diese informative, trotz des Online-Formats ausgesprochen lebendige Veranstaltung, an der über siebzig Interessierte teilnahmen.