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„Themen wie neue Mobilität oder energieeffizientes Bauen stehen nicht still“

- Erschienen am 21.12.2020
Guido Beermann © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Soeren Stache

Ohne Frage stand 2020 ganz im Zeichen von Corona, was nicht heißt, dass sonst nichts mehr passiert ist. Minister Guido Beermann blickt zurück auf ein Jahr mit ungewöhnlichen Herausforderungen und darauf, was sein Ministerium bewegt hat.

Online-Redaktion des MIL: Erinnern Sie sich noch an den ersten Tag?
Beermann: Ja, es ging los mit der Vereidigung im Landtag, in der ich eingeschworen wurde, meinen Dienst für das Land zu übernehmen. Dieser Moment hat mich sehr berührt und ich habe mich gefreut, ihn mit meiner Frau und meiner Tochter, die dabei sein durften, teilen zu können. Ich erinnere mich auch noch, wie herzlich ich im Ministerium von allen empfangen wurde, das hat mir den Start leicht gemacht.

Brandenburg boomt – insbesondere beim Thema Bauen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Brandenburg ist ein besonders lebens- und liebenswertes Bundesland und ich bin sehr sicher, dass es noch lebenswerter wird. Dafür arbeite ich – genauso wie die Mitarbeiter*innen aus dem Ministerium – tagtäglich. Natürlich kann Wachstum zu Interessenskonflikten führen, egal, ob es um den Bau eines Windparks oder einer neuen S-Bahnstrecke geht.  Entsprechend werden von manchen Seiten auch Wachstumsschmerzen gemeldet. Ich sehe diese noch bestehende Wachstumsdynamik jedoch weiterhin als Entwicklungschance, und zwar eben nicht nur für die boomenden Regionen in Brandenburg, sondern auch jene rundherum. Zum Beispiel, was die Belebung der Innenstädte und Dorfkerne betrifft.

„Beteiligung der Brandenburger*innen ist ein genauso wichtiger Punkt wie Wirtschaftlichkeit oder Umweltverträglichkeit.“

 

Wie gehen Sie mit solchen Konflikten um?
Zuhören, den Dialog durch entsprechende Formate fördern und durch Beteiligung der Brandenburger*innen – das ist aus meiner Sicht ein genauso wichtiger Punkt wie Wirtschaftlichkeit oder Umweltverträglichkeit.  Deshalb war es mir wichtig, die Evaluierung des Landesentwicklungsplans aus Sicht der Brandenburger*innen trotz der zusätzlichen Herausforderungen durch Corona noch in diesem Jahr zu starten. Unser Ziel ist es, den Landesentwicklungsplan an den Bedürfnissen der Leute auszurichten. Ich freue mich auf die Ergebnisse der Interviews, die Mitte 2021 vorliegen.

Corona. Inwiefern hat sich die Pandemie auf das Ministerium und dessen Bereiche ausgewirkt?
Corona war und ist ein Stresstest für die ganze Gesellschaft, für die Länder, Kommunen und die Bürger*innen. Corona hat viele Menschen hart getroffen. Wir haben deshalb schnell einen leichteren Zugang zu Wohngeld ermöglicht, gerade um einkommensschwächeren Brandenburger*innen bei ihren Wohnkosten zu helfen. Zudem haben wir gemeinsam mit dem Bund in einem großen Kraftakt einen Corona-Rettungsschirm des ÖPNV auf den Weg gebracht. Wir haben rund 75 Millionen Euro vorab ausgezahlt, um das ÖPNV-Angebot zu stabilisieren und aufrechtzuerhalten.

Abseits jedoch ging es nicht nur um Corona, denn Themen wie neue Mobilität oder energieeffizientes Bauen stehen nicht still. Das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung ist ein Investitionsministerium, das gemeinsam mit den Bürger*innen das Leben in Brandenburg maßgeblich mitgestaltet. Entsprechend haben wir in allen Bereichen meines Ressorts die Projekte auch in dieser schweren Phase vorangetrieben. Wir haben in 2020 nicht nur viel erreicht, vor allem haben wir gemeinsam viele Impulse gesetzt.

 

„Ab Januar kann in Brandenburg schneller, einfacher und nachhaltiger gebaut werden.“

 

Welche Impulse konnte das Ministerium 2020 im Bereich Bauen setzen?
Allein aus den Mitteln des Landes und des Bundes konnten wir mit rund 100 Millionen Euro 133 ausgezeichnete Projekte und Initiativen voranbringen, die bundesweit zum Teil Vorbildcharakter haben. Zum Beispiel die Landesinitiative „Meine Stadt der Zukunft“. Hier wird bewusst nicht in Materielles investiert, sondern in Innovation, die aus den Köpfen der Brandenburger*innen kommt. Es geht darum, Ideen zu entwickeln, wie ein zukünftiges Zusammenleben in Städten aussieht. Neben den Ideen geht es dabei auch um Wissenstransfer zwischen den Kommunen. Aus meiner langen Erfahrung weiß ich, was interkommunale und grenzüberschreitende Projekte leisten können. Auf die Ideen von „Meine Stadt der Zukunft“ bin ich sehr gespannt. Wir werden bald acht Modellvorhaben bekannt geben. Die Arbeit in den Städten beginnt dann im Frühjahr 2021.

Außerdem – und das wird allen Brandenburger*innen zu Gute kommen – haben wir mit der Novellierung der Bauordnung und Baugebührenordnung die Grundlage geschaffen, dass ab Januar in Brandenburg schneller, einfacher und nachhaltiger gebaut werden kann. Zum Beispiel wird der Wohnungsbau durch sogenannte Typengenehmigungen vereinfacht. Zudem lässt sich nun leichter mit Holz bauen, einem Rohstoff, der keine „graue“ Energie verbraucht. Außerdem kann das Mobilfunknetz und die Ladeinfrastruktur schneller ausgebaut werden. Brandenburg hat damit ab Januar 2021 eine zukunftsfähige Bauordnung.

Im Bereich Mobilität und Verkehr waren 2020 vor allem Tesla und der Flughafen Berlin-Brandenburg ein Thema in der Öffentlichkeit.
In der Tat ein sehr wichtiges „Boarding completed“, nicht nur für Brandenburg. Hinter dem luftverkehrsrechtlich formalen Abschluss mit der erteilten „Gestattung der Betriebsaufnahme gem. § 44 LuftVZO“ steckte dieses Jahr noch viel Unterstützung und Arbeit von unserer Seite. Ich habe mit darauf gedrängt, dass die Pläne eingehalten werden. Ich bin froh, dass der Flughafen jetzt in Betrieb ist – und auch die Infrastruktur mit dem Flughafenbahnhof steht.

Und Tesla - Tesla ist eine große Entwicklungschance für Brandenburg, speziell für die Region und den Arbeitsmarkt. In Umsetzung aller Ausbaustufen wird sich der Standort mit etwa 40.000 Beschäftigten zu einem der größten Automobilstandorte Deutschlands entwickeln. Wir arbeiten eng mit den Aufgaben- und Verkehrsträgern bei Bund, Land und Kommunen zusammen, um die vorhandenen Infrastrukturen Straße und Schiene langfristig an die Bedarfe des Endausbaus anzupassen. Zentrale Maßnahmen des integrierten Verkehrskonzeptes sind die Verlegung des Bahnhofes Fangschleuse, der Ausbau der BAB 10 einschließlich einer neuen Anschlussstelle Freienbrink Nord, die nördliche Netzergänzung L 386 sowie der Ausbau der L 38 und der bestehenden Anschlussstelle Freienbrink. Bereits seit dem Fahrplanwechsel im Dezember profitieren die Pendlerinnen und Pendler der Region von einem zusätzlichen Halt des RE 1 in Fangschleuse. Die Städte und Gemeinden im Umfeld des Standortes stehen jetzt vor der Herausforderung, attraktive Wohnstandorte und eine ausreichende Versorgungsinfrastruktur zu entwickeln. Seit Mitte des Jahres arbeiten wir gemeinsam mit Berlin, dem Landkreis und den Gemeinden an einem strategisch ausgerichtetem landesplanerischen Umfeldentwicklungskonzept. Deutlich über 1.000 ha an geeigneten Flächen sind bereits in der Prüfung.

Und abseits dieser beiden Themen?
Da liegt unsere tägliche Arbeit: Entwickeln, Planen, Investieren und Umsetzen. Wir haben über 150 Baustellen fertiggestellt oder vorbereitet und damit viele, viele Kilometer Straßen und Ortsdurchfahrten verbessert. Wir haben Millionen investiert, um Radwege auszubauen und gemeinsam mit Berlin die finanziellen Grundlagen für den Ausbau von Park and Ride und Bike and Ride Plätzen geschaffen. Große Infrastrukturmaßnahmen und deren Planung waren zum Beispiel der Bahnhof in Cottbus sowie die Vertragsabschlüsse im August über die S-Bahn-Verlängerung nach Rangsdorf und die Strecke Berlin-Spandau nach Nauen.

Besonders viel Arbeit haben wir in die gewaltige Umstrukturierung hin zur neu gegründeten Autobahn GmbH und deren Niederlassung in Stolpe und Cottbus gesteckt. Diese Umstrukturierung macht nicht nur verkehrspolitisch Sinn, sondern wird den Haushalt des Landes Brandenburg entlasten. Da braucht man sich nichts vorzumachen, der Spielraum ist knapp. Umso wichtiger ist es, effizient zu sein und möglichst zukunftsträchtige Projekte zu fördern.

Gibt es etwas, mit dem Sie noch nicht zufrieden sind?
In den Bereichen, in denen wir arbeiten, sind viele Akteure involviert - und das ist gut so. Ich wünsche mir dennoch bei einigen Prozessen noch eine Beschleunigung. Das ist natürlich immer auch eine Frage des Geldes und der Ressourcen. Wie groß der Spielraum nach Corona sein wird, ist unklar, aber wir werden daran arbeiten, das Potential von Prozessbeschleunigungen auszuschöpfen.

Was ich mir auch wünsche ist, dass bei allem Verhandeln, Aushandeln und gemeinsamen Planen die Begeisterung für das Thema Bauen wieder mehr in den Fokus rückt. Und sich noch mehr Leute für dieses Thema begeistern und interessieren - denn es betrifft jeden einzelnen von uns.

Ein Blick nach vorne: Was passiert 2021 und was sind die großen Themen, die Sie als Minister und Ihr Ministerium voranbringen wollen?
Wir möchten und werden weiterhin das Land Brandenburg bewegen und voranbringen und unsere Strategie dabei ist – ganz bildlich gesprochen – nicht eingleisig ausgelegt. Natürlich sind neue Mobilität und energieeffizientes Bauen weiterhin die Top-Themen und gleich zu Beginn des Jahres fördern wir besonders innovative Mobilitäts-Projekte, wie zum Beispiel die Lastenradprämie oder starten mit „Meine Stadt der Zukunft“ durch. Neben den Zukunftsthemen dürfen wir aber nicht die Alltagsherausforderungen vergessen. Es wird weiterhin enorm wichtig sein, bezahlbaren Wohnraum zu fördern, Ortsdurchfahrten zu verbessern und die Verkehrssicherheit mit Verbesserungen wie dem Abbiegeassistenten noch weiter voranzubringen. Für 2021 haben verfügt das MIL über einen Haushalt von 1,186 Mrd. Euro mit einem Investitionsvolumen von rund 410 Millionen Euro. Beispielsweise kann das MIL 2021 für Investitionen in den ÖPNV und Straßenbau rund 186 Millionen Euro bereitstellen, rund 30 Millionen Euro fließen in den Radverkehr. 140,2 Millionen Euro stehen für die soziale Wohnraumförderung, 105 Millionen Euro für die Kofinanzierung der Städtebauförderung zur Verfügung.  Gerade in diesen Krisenzeiten ist das ein wichtiges Signal für Investitionen in die Bereiche Mobilität und Infrastruktur, Wohnen und Bauen sowie Landesplanung.

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Datum
21.12.2020