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„Es gibt nicht die Big-Bang-Lösung“

- Erschienen am 12.02.2021 - Pressemitteilung Aus der Märkischen Oderzeitung
Verkehrsminister Beermann informiert sich vor Ort über den Stand der Verkehrsanbindung beim Bau der Tesla-Gigafactory © MIL

Infrastrukturminister Guido Beermann setzt bei den Verkehrsströmen zur Tesla-Fabrik zuerst auf die Autobahn und gibt Entwarnung für die Pendler im RE1.

Herr Beermann, wissen Sie schon genau, wann die Produktion bei Tesla startet und wie die Mitarbeiter zur Fabrik kommen?

Guido Beermann: Der Startschuss soll in diesem Sommer fallen. Den genauen Tag legt Tesla fest. Ich kenne ihn noch nicht. Auch gibt es noch keine exakte Zahl, wie viele Mitarbeiter dort am ersten Tag anfangen werden. Wir haben im Vorfeld aber natürlich Prognosen angestellt und rechnen mit insgesamt bis zu 40.000 Mitarbeitern in der Endausbaustufe der Fabrik. In der ersten Ausbaustufe sollen es rund 10.000 Mitarbeiter werden, aber nicht von Tag 1 an. Davon werden aus dem Umland etwa 50 Prozent mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommen und 40 Prozent mit dem Pkw sowie aus Polen weitere zehn Prozent. Das sind die Grundlagen, von denen wir ausgehen.

Tesla hat angekündigt, einen eigenen Busshuttle für Mitarbeiter einzurichten und einen Werksshuttle auf der Schiene. Wie weit ist das nach Ihrer Kenntnis gediehen?

Seit dem Fahrplanwechsel 2020 hält der RE1 zweimal pro Stunde in Fangschleuse. Zudem wurde der regionale Busverkehr angepasst. Tesla plant außerdem einen Busshuttle vom Bahnhof Fangschleuse zum Werk. Dieser Bus soll im Sommer schon fahren. Es gibt auch Überlegungen für einen Werksshuttle auf der Schiene vom Bahnhof Erkner direkt auf das Gelände der Gigafactory. Dafür müssen aber noch viele Fragen geklärt werden. Das ist eine Angelegenheit, die Tesla mit der Deutschen Bahn regeln muss.

Am Bahnhof Fangschleuse soll der bestehende Bahnsteig verlängert werden. Wann geht es los?

Der Ausbau erfolgt bis zum Fahrplanwechsel 2022 mit der Inbetriebnahme des Netzes Elbe- Spree. Der Bahnsteig wird auf 155 Meter verlängert, so dass die sechsteiligen Züge dort halten können. Allerdings kann man den Bahnsteig nicht so erweitern, dass noch längere Züge dort halten. Auch deshalb haben wir uns zu einer Verlegung des Bahnhofes entschlossen. An dem neuen Bahnhof am Teslagelände werden wir dann 220 Meter lange Bahnsteige haben, an denen alle Züge halten können. Außerdem entlasten wir die L23 von den Werksshuttle-Verkehren.

Wenn am Bahnhof gebaut wird – was heißt das für den Verkehr auf der Straße, die den Bahnübergang quert, die L23?

Wir gehen davon aus, dass wir ohne wesentliche Einschränkungen des Verkehrs bauen können.

Der bestehende Bahnhof in Fangschleuse soll künftig durch einen Neubau unmittelbar an der Gigafactory ersetzt werden. Wann ist das vorgesehen?

Die Landesregierung hat der Deutschen Bahn AG den Auftrag erteilt, die Verlegung des Bahnhofes zu planen. Dazu werden jetzt Untersuchungen angestellt – für die Bemessung der Bahnsteige, für die vorgesehene Unterführung. Für Planung und Bau sind im Idealfall mindestens fünf Jahre vorgesehen.

Die Pendler zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) mussten in den vergangenen Jahren immer wieder Schienenersatzverkehr in Kauf nehmen. Geht das jetzt so weiter? Wird der Schienenverkehr Richtung Osten über Jahre abgehängt, wenn in Fangschleuse gebaut wird?

Das sehe ich nicht. Die Bahn hat den Auftrag, für alle Infrastrukturprojekte Bautechnologien zu entwickeln, die nur wenige Sperrungszeiten erfordern.

Besonders kritisch ist die Verkehrssituation in Erkner. Zu Spitzenzeiten steht die Stadt im Stau. Wann können die Erkneraner mit einer Entlastung rechnen?

Die Probleme in Erkner bestehen seit Langem. Es gab in den letzten 25 Jahren Versuche, eine Möglichkeit für eine Umgehungsstraße zu finden. Jetzt eine schnelle Lösung anzukündigen, wäre unseriös. Wir wollen zusammen mit der Region schauen, was möglich ist. Im ersten Schritt geht es aber darum, die Autobahn für den Verkehr zu Tesla zu nutzen. Diese günstige Anbindung war auch ein Kriterium für die Standortsuche von Tesla, und sie bietet die Chance, im Zusammenspiel mit dem Schienenverkehr den Verkehrsdruck auf Erkner zu mildern.

Die Linke in Brandenburg fordert, dass Tesla sich generell mehr an den Kosten für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur beteiligt.

Wer welche Kosten trägt, richtet sich insbesondere nach den gesetzlichen Vorgaben des Kreuzungsrechts. Danach wird berechnet, wie hoch der Anteil der jeweiligen Beteiligten an der Straßenmaßnahme ist. Ansonsten teilen sich Bund, Land und Kommune die Kosten. Wir haben alle Beteiligten an einen Tisch geholt, um auch diese Fragen zu erörtern.

Wie viel Geld nimmt das Land dafür in die Hand?

Vergangenes Jahr haben wir knapp eine Millionen Euro ausgegeben. Für dieses Jahr sind Haushaltsmittel von bis zu zehn Millionen Euro aus dem Zukunftsinvestitionsfonds für die Verkehrsinfrastruktur in Zusammenhang mit der Ansiedlung von Tesla vorhanden.

Bis zu 1250 Lkw am Tag sollen zur Gigafactory fahren. Wird es Lärmschutz für die Bewohner von Siedlungen in der Nähe geben?

Das Thema Lärm wurde im Zusammenhang mit der Aufstellung des ergänzten Bebauungsplanes für Freienbrink untersucht. Das bestätigte Konzept setzt im Wesentlichen auf attraktive Fahrmöglichkeiten über das Autobahnnetz. Ergänzend richten wir zusätzliche Zählstellen ein, um den Verkehr zu überwachen. Gemeinsam mit der Unteren Straßenverkehrsbehörde des Landkreises können wir so auf die tatsächliche Entwicklung reagieren.

Den Güterverkehr will Tesla auf die Schiene verlagern. Wie weit ist das gediehen?

Dafür gibt es ein Gesamtkonzept von Tesla und den beteiligten Bahnunternehmen. Vorgesehen ist unter anderem ein Übergabebahnhof für die Züge von der Strecke Berlin-Frankfurt (Oder) auf das Teslagelände. Die DB Netz hat dafür mit den Planungen begonnen. Das Eisenbahnbundesamt ist für die planungsrechtliche Genehmigung zuständig.

Diese Ansiedlung ist mit vielen Infrastrukturproblemen verbunden. Was hat für Sie absolute Priorität?

In diesem Jahr ist vor allem der Ausbau der L38 wichtig. Südlich des Bahnhofs Fangschleuse werden darüber hinaus bis zur Betriebsaufnahme die Haltebuchten für den öffentlichen und den Werksshuttleverkehr hergestellt. Außerdem wird mit den Planungen für den Ausbau der A10 inklusive der neuen Anschlussstelle Freienbrink Nord sowie der Netzergänzung L386 begonnen. Ich freue mich auch, dass der Landkreis Oder-Spree sich intensiv mit der Frage eines Fahrradkonzeptes auseinandersetzt. Eine absolute Priorisierung ist nicht möglich, wir müssen viele Dinge parallel denken und umsetzen. Es gibt nicht die eine Big-Bang-Lösung, mit der man alle Herausforderungen auf einmal bewältigt. Aber die Ansiedlung von Tesla ist eine Riesenchance für Brandenburg.

Auf welche Verkehrsbelastung müssen sich die Anwohner einrichten, wenn die Gigafactory eröffnet?

Klar ist, dass mit der Eröffnung eines der größten Autoproduktionswerke in Deutschland Verkehre zunehmen. Aber es wird nicht auf der grünen Wiese gebaut. Die Autobahn und eine der europäischen Eisenbahn-Magistralen führen direkt am Gelände vorbei. Das sind ideale Voraussetzungen für den Standort. Es wird also mehr Verkehr geben, dafür aber auch Verkehrslösungen und bessere Anbindungen für die Anwohnerinnen und Anwohner.

Was halten Sie vom Vorschlag des Landrates von Oder-Spree, Rolf Lindemann, den Bau von Wohnungen stärker voranzutreiben, um Ansiedlung zu fördern und Verkehr so zu vermeiden?

Wir haben analysiert, dass es in den Kommunen zwischen Köpenick und Frankfurt (Oder) auf etwa 600 Hektar Land bereits Baurecht gibt oder es kurzfristig geschaffen werden kann. Das entspricht circa 29.000 zusätzlichen Wohneinheiten. Wir haben uns mit den Kommunen so verständigt, dass die Siedlungsentwicklung den Verkehr möglichst verringern soll. Das bedeutet, dass wir Wohnbaupotenziale an verkehrsgünstigen Standorten nutzen. Das sind vor allem die Städte und Gemeinden entlang der RE1. Wir rechnen für die erste Ausbaustufe bei Tesla mit etwa 6700 Zuzügen in die Brandenburger Kommunen der Region. Diese werden sich zwischen dem Berliner Umland und Frankfurt (Oder) verteilen. Zudem erfolgt der Zuwachs auch hier nicht „über Nacht“, sondern wird in einem Prozess über zwei bis drei Jahre erfolgen.

Interview aus der Märkischen Oderzeitung, von Ina Matthes und Ulrich Thiessen. Mit freundlicher Genehmigung der Märkischen Oderzeitung

Weitere Informationen:

„Der Verkehr um die Gigafactory bricht nicht zusammen“
Interview mit Guido Beermann im Tagesspiegel

Link: https://mil.brandenburg.de/mil/de/presse/detail/~04-01-2021-tesla-interview

 

 

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Ident-Nr
Aus der Märkischen Oderzeitung
Datum
12.02.2021